„Wie wars in der Schule? Musst du noch Hausaufgaben machen?“ Viele Schulkinder reagieren auf solche Fragen mit knappen Antworten oder betretenem Schweigen. Dabei ist es nur natürlich, dass Eltern gerne wissen möchten, wie es ihrem Spross geht und wie dessen Tag war. Schon an dieser Stelle lohnt sich zuweilen ein kleiner Perspektivwechsel: Kämen Eltern von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause und müssten erst einmal den Fragen der Familie standhalten – kaum, dass sie ihre Tasche abgestellt haben – oder von ihren offenen „To Dos“ für den Abend erzählen, würde das auch bei ihnen für Unmut sorgen.
Deshalb kann es eine echte Herausforderung sein, auch nur wenige Infos von seinem Kind zu bekommen – vor allem, wenn es um druckbelastete Themen wie Schule geht. Zudem beschäftigen sich Kinder ab einem gewissen Alter immer mehr mit sich selbst und ziehen sich nicht selten zurück. Dabei kann die tägliche Kommunikation schon mit wenigen Kniffen deutlich entspannt werden.
Vom aktiven Zuhören bis hin zu den richtigen Fragen: Die beste Basis für einen offenen Austausch bildet die Beziehung zueinander. Mit folgenden Strategien zur achtsamen Kommunikation wird das tägliche Miteinander-reden rund um die Schule leichter und entspannter.
Ein neutrales Gesprächsumfeld ist die perfekte Basis für ein offenes Miteinander. Außerdem ist es wichtig, eine gewisse Gesprächs-Routine aufzubauen. Zum Beispiel können Eltern beim Spazieren, beim Spielen oder der letzten Kuscheleinheit vorm Schlafengehen gemeinsam mit ihrem Kind den Tag Revue passieren lassen. Dabei gilt: Das Kind erzählt nur so viel, wie es möchte. Und je offener die Eltern sind und von ihrem Tag berichten, desto offener ist auch das Kind. Hat der Spross keine Lust auf Reden, ist das okay. Eltern sollten dann kommunizieren, dass es jederzeit mit ihnen reden kann, falls es doch etwas aufarbeiten möchte.
Extra-Tipp: Nicht bei gemeinsamen Familienmahlzeiten über Probleme in der Schule sprechen. Für Kinder sind das wertvolle Momente, die durch solche Themen negativ besetzt werden.
Um den Gesprächsball ins Rollen zu bringen, hilft es schon, die Fragen so zu formulieren, dass sie nicht mit einem Wort beantwortet werden können. „Was war das Beste, das du heute erlebt hast?“, „Womit hast du heute gespielt?“ oder „Was hat dir nicht so gut gefallen?“, sind Fragen, die nach einer kleinen Geschichte verlangen. Haben Eltern zudem im Blick, was aktuell im sozialen Umfeld des Kindes passiert, ergeben sich detaillierte und gezieltere Fragen, die es leichter beantworten kann.
Natürlich hören alle Eltern ihrem Kind zu. Doch es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied zu aktivem Zuhören in der Wahrnehmung des Kindes. Erzählt das Kind von seinem Tag, ist Blickkontakt wichtig, um zu signalisieren: Ich bin da, ich interessiere mich für dich und höre dir zu. Des Weiteren fühlt sich der Nachwuchs gehört, wenn Eltern tiefergehende Fragen stellen und das Gesagte in ihren eigenen Worten wiederholen. Vor allem die Gefühlsebene spielt dabei eine große Rolle. Berichtet es beispielsweise von einem Streit in der Schule, wäre die Gefühlsebene „Du fühlst dich übergangen, das macht dich wütend und das verstehe ich.“ Wichtig: Zunächst nicht von eigenen Erfahrungen der Schulzeit sprechen. Erst sollte das Kind Raum dafür haben, was ihm auf dem Herzen liegt.
Ist das Kind durch ein gelassenes Gesprächsumfeld, die richtigen Fragen und aktives Zuhören bereit, von seinem Schultag zu erzählen, sollten Eltern es ausreden lassen. Ohne es zu unterbrechen und vor allem ohne das Gesagte zu bewerten. Das ist im stressigen Alltag schwierig, doch werden Kinder unterbrochen, sei es nur durch Zwischenfragen, fühlen sie sich nicht respektiert. Gerade Jugendlichen vergeht dann die Lust. Deshalb wirkt es Wunder, wenn Eltern mit ihrem Kind wie mit einem Freund – auf Augenhöhe – sprechen.
Manchmal sind es nur Kleinigkeiten im Alltag, die diesen entlasten und erleichtern können – wie ein paar Tricks zum unbeschwerten Miteinander. Gerade nach diesem unglaublich stressigen und fordernden Jahr 2020 und den leider genauso anstrengenden vergangenen Monaten bisher in 2021, ist das jetzt wichtiger denn je: sich noch mehr Zeit füreinander und die vermeintlich kleinen Dinge nehmen.
Hallo Jürgen, die Weihnachtsferien stehen an. Sollen Kinder in den Ferien für die Schule lernen?
Genau das fragen mich in diesen Tagen sehr viele Eltern. Meine Haltung dazu ist eindeutig: Ferien sind Ferien! Gerade nach diesem anstrengenden Jahr ist es wichtig, die Kinder einfach mal durchatmen zu lassen. Meine Empfehlung lautet deshalb: Eltern sollten sich keine Sorgen machen und stattdessen den Akku wieder aufladen und die gemeinsame Familienzeit genießen! Das gilt auch für die Lehrer*innen, auch die benötigen nach dem herausfordernden Jahr 2020 – und vor dem, was in den nächsten Wochen und Monaten auf sie zukommen wird – dringend Ferien.
Okay, aber kann das auch im Corona-Jahr 2020 gelten?
Ich glaube, es herrscht aktuell viel Panik, dass die Kinder durch die Corona-Pandemie zu viel verpasst haben. Ich höre in zahlreichen Gesprächen, dass jetzt ganz viel aufgeholt werden muss, um den Anschluss nicht zu verlieren. Auch wenn ich das verstehen kann, rate ich Eltern immer dazu, gelassen zu bleiben. Denn, wenn die Kinder den vermeintlich verpassten Lernstoff in den Ferien nachholen, führt dies nur zu belastenden Frustmomenten. Und dazu, dass sie ohne Pause – völlig erschlagen – in den Endspurt des Schuljahres gehen. Das sollten wir unseren Kindern nicht zumuten!
Das Gefährlichste, was unseren Kindern passieren kann, ist nicht, dass sie in Mathe oder Deutsch mal langsamer sind. Das Gefährlichste, ist, dass sie die Freude am Lernen verlieren, die Freude an der Herausforderung.
Das wirkt sich nämlich auf das gesamte Leben aus. Lernen endet ja nicht mit der Schulzeit, es geht danach erst richtig los. Nach der Schulzeit entscheiden sich Kinder für eine Ausbildung, ein Studium, einen bestimmten Beruf. Und spätestens dann müssen sie in der Lage sein, selbstständig zu lernen und sich Herausforderungen zutrauen. Wenn sie sich keine Herausforderung zutrauen, und keine Freude am Lernen haben, werden sie immer unter ihrem Potenzial bleiben. Und das macht unglücklich!
Und was ist mit Kindern, die ebenjene Freude am Lernen haben und deshalb aus eigenem Antrieb heraus auch in den Ferien lernen möchten?
Ich empfehle, dass Kinder in den Ferien auch einfach mal Kinder sein dürfen. Das heißt aber natürlich nicht, dass Kinder in den Ferien nicht lernen dürfen, wenn sie das unbedingt möchten. Lernen macht schließlich glücklich und wenn Kinder eine intrinsische Motivation haben, umso schöner. Mir geht es aber darum, den Druck aus der Thematik zu nehmen. Eltern können das Lernen auch kreativ und spielerisch in den Alltag einbauen.
Hast du hierfür konkrete Ideen oder Beispiele?
Ja, jede Menge! Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Lernen findet ja nicht nur am Schreibtisch statt. Zum Beispiel können Kinder beim Kochen und Backen mithelfen und so ganz praktisch Mengenangaben berechnen. Beim Schneiden einer Pizza oder eines Kuchens wiederum kann spielerisch über Bruchrechnen gesprochen werden. Oder Eltern kleben Ihren Kindern das Einmaleins oder unregelmäßige Verben an den Badezimmerspiegel. Dann können sich die Kleinen das beim Zähneputzen anschauen – ohne, dass es sich wie lernen anfühlt. Quiz-Abende machen meinen Kindern aktuell unglaublich viel Spaß. Oder andere Idee: Eltern können mit Ihren Kindern „Deutschland sucht den Superlerner“ veranstalten. Das Kind bereitet ein Lernthema vor und präsentiert dieses in einer spektakulär inszenierten Show vor der Familienjury. Aber bitte nicht so fies wie Dieter Bohlen sein! Man kann Zuhause an markanten Stellen (Treppe, Flur) auch Stapel mit Vokabeln verteilen. Und immer, wenn das Kind an dieser Stelle vorbeigeht, nimmt es sich die oberste Karte und lernt genau eine Vokabel.
Eltern können ihrem Kind auch vorlesen und genau dann aufhören, wenn es am spannendsten ist. Die Kinder werden dann ganz sicher alleine weiterlesen. Vielleicht animieren Eltern ihre Kinder sogar dazu, aus dem Gelesenen ein Theaterstück zu machen, in dem alle Familienmitglieder mitspielen. Oder wie wäre es mit einer Schatzsuche mit vielen spannenden Aufgaben. Die Koordinaten, die zum Ziel führen, müssen mathematisch ermittelt werden oder so. Kinder könnten auch zu einem Thema, dass sie in der Schule gelernt haben, Lernplakate anfertigen und diese in einer Kunstausstellung, die von der ganzen Familie besucht wird, erklären. Oder die gesamte Familie plant gemeinsam den nächsten Urlaub: Jedes Familienmitglied macht sich über einen bestimmten Aspekt (z.B. Anreiseroute, Sehenswürdigkeiten, Tier- und Pflanzenwelt) schlau und präsentiert das Thema in einem lustigen Referat. Vielleicht nimmt aber auch einen alten Pappkarton und baut daraus den Rahmen eines Fernsehers nach und präsentiert sich anschließend gegenseitig in seriösen Outfits die Nachrichten. Ich persönlich baue Zuhause auch immer Wetten in den Alltag ein: Wetten, dass du es nicht schaffst, dir in 10 Minuten alle Bundeskanzler in der richtigen Reihenfolge zu merken. Sicher fallen den Eltern noch viele weitere spannende Ideen ein.
Lernen im Alltag fördert Kinder, aber was ist mit dem Lernstoff?
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich rate zur Gelassenheit. Studien zeigen: 95 Prozent des Lernstoffes vergessen Kinder früher oder später wieder. Beim Lernen geht es für Kinder um viel mehr als bloß um Lernstoff. Kinder erwerben zahlreiche Kompetenzen, die ihnen helfen, ein glückliches, erfülltes Leben zu leben und die sie auf eine Welt vorbereiten, in der lebenslang gelernt werden muss. Da geht es nicht um eine konkrete Lehreinheit in Klassenstufe xy. Ich gebe zu bedenken, dass sich Kinder in ein paar Jahren nicht mehr an die mathematischen Gesetze oder Formeln erinnern werden, die sie in den Weihnachtsferien 2020 gelernt haben. Sehr wohl aber werden sie sich glücklich daran erinnern, wie sie diese Zeit gemeinsam als Familie erlebt und gemeistert haben. Gerade in diesem Jahr wurden, ohne jede Frage, ganz wichtige Kompetenzen erworben, die von echter Relevanz fürs ganze Leben sind.
So wie es aussieht, werden die Weihnachtsferien in vielen Bundesländern ausgeweitet. Müssen Eltern nun, aus deiner Sicht, zusätzlich etwas beachten?
Das hängt davon ab, ob die Zeit nach den offiziellen Weihnachtsferien noch als Ferien deklariert werden. Denn klar ist, eine Home-Schooling-Phase, in der die Kinder wieder Aufgaben von den Lehren bekommen, ist Schule und keine Freizeit! Einen Tipp gebe ich Eltern trotzdem: Achten Sie in der letzten Woche vor dem Schulstart – das gilt natürlich auch fürs Home-Schooling – darauf, dass sich der Körper des Kindes wieder an die Schule gewöhnt. Damit meine ich, Kinder sollten in der letzten Ferienwoche wieder zur gleichen Uhrzeit wie zur Schulzeit schlafen gehen. Denn nur dann kann sich der Bio- und Schlaf-Rhythmus umstellen und an das frühe Aufstehen gewöhnen. Die Gefahr ist oftmals, dass Kinder zum Schulstart noch völlig im Ferienmodus sind und die ersten Schultage „verschlafen“. Das ist nicht förderlich für die Motivation.